Foto: Bau der Lehrlings - und Arbeiterwohnungen1972 © Geschichteclub Stahl
Zum Abriss freigegeben - Lunzerstr., Kunstuni Linz
Die Lunzerstraße liegt im Linzer Süden auf dem Gelände der voest alpine zwischen Produktionsgebäuden auf der einen und dem direkt angrenzenden Naturraum des unteren Traunlaufes auf der anderen Seite. Die Lunzerstraße ist ein Ort der Veränderung und Verwandlung. Früher Überschwemmungsgebiet, war hier gegen Ende des 2. Weltkrieges ein Außenlager des KZ Mauthausen in dem Gefangene zur Arbeit in den Herman-Göring Werken gezwungen wurden. 1972 wurde dieses Lager abgerissen und an der Stelle Lehrlings - und Arbeiterwohnungen errichtet. Diese Wohnungen wurden 1980 zu einem Asylbewerberheim umgenutzt, das wiederum nach zehn Jahren wegen fortschreitend unmenschlichen Bedingungen aufgelöst werden musste. Jetzt stehen diese Gebäude großteils leer und sollen bis 2014 erneut abgerissen werden, um mehr Lagerflächen für die Stahlproduktion zu erzeugen.Aus dieser Situation entstanden zwei ortsbezogenes Angebote, die von Studierenden der Kunstuniversität Linz bearbeitet wurden: Entwicklung von Szenarien für den Zeitraum nach dem geplanten Abriss oder Entwicklung von Alternativen Szenarien zum Abriss. Die Studierenden sollten sich die Frage stellen, welche langfristigen Potentiale diese Randlage birgt? Wie sich Linz weiterentwickeln wird? Was aus der VOEST wird und was Architekten dazu beitragen können?
Die Studierenden befassten sich mit den Gebäuden an sich, ihrer Substanz und Perspektive, mit ihrer Lage zwischen Industrie und Natur und den städtebaulichen Herausforderungen. Zunächst wurden Szenarien über mögliche Zukünfte des umgebenden Areals formuliert. Das Spektrum der Annahmen für das, was kommen kann, liegt zwischen gänzlichem Vergessen, einer tektonischen Plattenverschiebung südlich der Traun oder einer Entwicklung zum Gründerzentrum.
Während der anschließenden Intensivwoche Mitte November hatten die Studierenden die obersten Stockwerke von einem der Gebäude besetzt, bewohnt und dort gearbeitet. Es entstanden eine Reihe von Vor-Ort-Interventionen. Hierbei hatten die Studierenden eine Woche die Gelegenheit, die Potentiale und Probleme des Ortes auszutesten, bevor die Arbeit an den Entwürfen in konkrete architektonische Eingriffe mündeten.
Studierende: Claudia Bönisch, Nicolas Brendle, Maria Aglia Dau, Costanza Coletti, Anna Firak, Felix Ganzer, Julius Jell, Hannah Kordes, Chloe Montagnat, Iris Nöbauer, Andrej Pohajda
Betreuer: Matthias Böttger, Franz Koppelstätter, Katharina Weinberger
Abteilung: Sustainable Architecture + Spatial Tactics
Termine
Intensivwoche: 1:1 Intervention // 11.11.2013 - 15.11.2013 // Lunzerstraße 42, Linz
Schlusskritik: 30. 01.2014 // 14:00 – 18:00 Uhr // Lunzerstraße 42, Linz
Führungen: 31.01.2014 - 02.02.2014 // 14.00 Uhr // Lunzerstraße 42, Linz
Gastkritik in der Intensivwoche: Muck Petzet
Gastkritik bei der Schlusskritik: Sabine Pollak, Christoph Weidinger, Christoph Wiesmayr
Projektdokumentation
Kunstuni Linz
Foto: Lunzersstrasse © Franz Koppelstaetter
Entwurfsprojekte der Studierenden
Gambling for Space
Projekt von Maria Dau
Dem Szenario „Gambling for Space“ liegt die Auslagerung der voestalpine, sowie die Rückeroberung des Gebiets durch die Natur zugrunde. „Dieses „Eldorado der Natur“ übt eine Anziehungskraft auf jene Bevölkerungsgruppen aus, die auf der Suche nach einem Umfeld sind, dass frei von staatlicher Reglementierung ist. Es ist ein freiheitsliebendes (…) Klientel, das sein Leben und Umfeld selbstverantwortlich gestalten möchte, (…) unabhängig vom Fürsorgeprinzip des Sozialstaates (…) und stattdessen von Aktionismus, Besiedlungsdrang und der Solidarität der Kommunität lebt. (…) Das Szenario über die Besiedelung von Lunz zeichnet Entwicklungsetappen und räumliche und soziale Konflikte bei der anarchischen Aneignung eines imaginierten Möglichkeitsraums auf. (…) Im Szenario „Gambling for Space“ geht es um Versuche eine gleichberechtigte Raumordnung im wilden Lunz zu etablieren ohne die Siedler in ihrem Abenteuer- und Selbstverwircklichungsstreben einzuengen. (…) Die physische Umsetzung dieses Gesellschaftsideals beginnt mit der (…) Besiedlung noch intakter Gebäudestrukturen aus den Folgebeständen der VÖEST ..
Booklet Maria Dau - Gambling for Space
L'NZ Wohnen im Rand
Projekt von Julius Jell
Abbau, Additive Maßnahmen und Umbauten generieren in den Türmen neuen Platz und auf diese Weise flexible Konfigurationen in der Raumplanung und Nutzung. So werden Kellerabteile, Fahrradstellplätze, ein Spielplatz, eine Sommerküche, ein Gartenhaus und eine Fahrradwerkstatt und andere Experimentierfelder geschaffen.
Verschiedene Eingriffe in die Gebäudestruktur generieren eine neue Wohnqualität. Es werden alle nicht tragenden Wände entfernt und der bestehende Raum, über die gesamte Gebäudelänge, durch eine 3 Meter tiefe raumbildende Schicht erweitert. Die jeweiligen strukturierenden Raummodule der erweiterten Konstruktion erstrecken sich über zwei Geschosse und schaffen helle lichterfüllte Räume sowie einen Zugang zum Nachbargeschoss. Diese Raumaufteilung eines Maisonetten-typs macht verschiedene Arbeits- und Wohnkombinationen möglich.
Booklet Julius Jell - Lunz - Wohen im Rand
Lunz ist uns
Projekt von Nicolas Brendlé
Im Szenario Lunz ist uns muss Die VOEST den Standort Linz sukzessive abbauen und das Gebiet um LUNZ wird verkauft. Das Grundstück ist sehr günstig und bietet Menschen die Gelegenheit mit Hilfe ihrer Kreativität kostensparend zu bauen. Das Konzept des Projekts liegt dem Low-Tech-Ansatz zu Grunde, so wird mit geringfügigen einfachen technischen Mitteln interveniert. Die Bewohner bauen sich ihr Zuhause, nach ihren individuellen Bedürfnissen und benutzen das eigene vorhandene Expertentum:
So baut eine Familie ihre Fenster selbst ein, eine andere Familie baut ein Windrad und die Kinder des Hauses bekommen ihr Basketballfeld.Der Traum ist nicht mehr eine Hütte in einem Baum zu bauen sondern den Baum in die Hütte zu bringen. Wohnungen sind hier riesig. Im Winter ist der Raum auf Wärmeinseln beschränkt. Wenn das Wetter es erlaubt, verlaufen sich die Leute durch das ganze Gebäude und genießen den Luxus und die Magie der Leere.
Booklet Nicolas Brendlé - Lunz ist uns
Lunz, vom Wasser aus
Projekt von Felix Ganzer
„Lunz, vom Wasser aus“ erzählt eine Kindergeschichte eines jungen Flusspiraten, der in einer Welt aufwächst, die von Klima- und anderen Katastrophen mit Verarmung in einigen Erdteilen und Migration in reiche Staaten geprägt ist. Auf der Suche nach Arbeit macht sich Alibaba mit seinem Schiff auf den Weg in ein neues Leben. Auf den Gewässern zwischen Nordafrika und Europa trifft er auf Gleichgesinnte und setzt seine Reise gemeinsam mit ihnen fort. Sie entwickeln eine neue Lebensweise, die mit dem Nötigsten auskommt und auf Wissensweitergabe und Tauschhandel basiert. Über die Donau gelangen die Weggefährten an das Traun-Ufer von Linz, wo sie sich niederlassen und schrittweise die informelle Besiedelung von Lunz aufbauen. Vorteile des Lebens am und auf dem Wasser sprechen sich herum und so etabliert sich die Siedlung über Jahre zu einem nie gekannten, urbanen Lebensraum am Rande des Wassers das sie mit allen Kontinenten der Erde vernetzt.
Booklet Felix Ganzer - Lunz, vom Wasser aus
Lunzapark
Projekt von Costanza Coletti
Since voestalpine decided, there will be no future for the Lunzerstraße buildings, Öunzapark wants to reconsider and show that all the declaired garbage can be reused and that another future fort he site is as possible as desirable. The implementation oft he Lunzapark shall happen in the same way as the one week of interventions and installations took place in the beginning oft he project: a border oft he park would be defined and from there on the park is open to anyone who is interested in doing something as buiding a jacusis,a sauna, sports fields and lots of other attractions. In the end Lunzapark will become an example of Urban Pioneerism, provocation to the utilitaristic use of territory and an amazing recycle amusement park. „The Junk of Lunz will become the attraction of Lunzapark, and Lunzapark will become the attraction of Linz.“
Booklet Costanza Coletti - Lunzapark
M’Pool
Projekt von Anna Firak
Das Projekt „M’Pool“ betrachtet die vier leerstehenden und heruntergekommenen Hochhäuser am Stadtrand von Linz als Bausubstanz die aus konstruktiver Sicht keine Funktionsbeeinträchtigungen vorweist. Aus diesem Grund sollen sie nicht abgerissen werden. Aber wie geht man mit einem solchem Gerüst um, wer würde es neu bespielen, wie könnte man es neu bespielen, und wie groß wäre der Aufwand. Diese Fragen in den Raum stellend, ist der M’Pool eine Sammlung aus Möglichkeiten, wie diese Grundstruktur neu bespielt werden könnte. Die Überlegungen betreffen sämtliche Facetten der Gebäude und bieten Angriffslächen für jegliche Zielvorstellungen. M’Pool ist ein an Nutzer und/oder Bewohner gerichteter Katalog, der eine Paletten an Ideen vorweist die leerstehenden, nach neuer Belebung lechzenden Gebäude , neu zu gebrauchen, den Bestand zu ehren, das Gebiet zu beleben und die Ressource Gebäude zu schützen.
Stairs of Lunz
Projekt von Andrej Pohadja
The project of „Stairs of Lunz“ is based on the idea of a growing industrie in the city of Linz and therefore ther will also be a increasing demand for new homes. The area of Lunzerstraße, where the four former dormitory-buildings oft he voestalpine are located, is half surrounded by industry, but on the other half there is unnaffected nature with the river Traun flowing through. The project clears and improves the site and leave only the blocks that are lowered from the north to the south and keep the rest as ruins untherneath a new structure: long terrased steel constructions are build on them strarting from their tops and lowering to the Traun. The volumen is devided into 34 luxury apartments with big terrases for the new middle and upper class oft he voestalpine.
Booklet Andrej Pohadja - Stairs of Lunz
Start up Luna 42 [ ] 48
Projekt von Claudia Bönisch
Das Szenario Start Up in Lunz beabsichtigt neu zu bauen, zu sanieren und zu adaptieren. Eine kostengünstige Sanierung des Bestandes schafft ein großzügiges Platzangebot für Arbeitsplätze, die Jungunternehmern als Starthilfe günstig bereitgestellt werden. Darüber hinaus wird die Umgebung mit einer erforderlichen räumlichen und technischen Infrastruktur ausgestattet. Eine öffentliche Zone für Infrastuktur: Gastronomie, Handel, Nahversorger, Fitness, und Kita wird errichtet. Forschungslabore sowie Werkstätten werden neu gebaut.
In 2050 wird aus dem Industrieraum ein attraktiver, dynamischer Wirtschaftsstandort mit etabliertem Arbeitsumfeld – ein sogenannter Campus für wissens- und marktorientierte Cluster. Hierbei entsteht ein dauerhafter nutzbarer Erholungs- und Lebensraum für die Menschen in der Stadt.
Booklet Claudia Bönisch - Start Up Lunz
Vor-Ort-Interventionen der Studierenden:
Alternative Route
Projekt von Julius Jell
Wie kommt man zur Lunzerstraße? Vier mal täglich fährt der Schichtbus vorbei und natürlich kann man, wenn man eins hat, mit dem Auto dort hin fahren. Ansonsten ist die Straße für Fußgänger und Radfahrer nicht sehr attraktiv. Spannender ist es da schon, mit den Einkäufen für den täglichen Bedarf von der Solarcity aus durch die Traunau zu radeln und dann mit dem Ruderboot über zu setzen.
Foto © Iris Nöbauer
Beauty Salon
Projekt von Iris Nöbauer und Costanza Coletti
Es geht darum zu zeigen, was an einem Ort wie Lunz alles passieren kann, was hier entstehen kann – Dinge von denen man zuerst gar nicht dachte, dass sie hier möglich sind. Nur durch eine Neuanordnung der Einrichtung wird ein Ort der Schönheit geschaffen. WE ARE BEAUTIFUL!
Foto © Costanza Coletti
Foto © Iris Nöbauer
Innen-Aussen
Projekt von Andrey Pohajda und Nicolas Brendlé
Die Frage dieser Woche war: "Wie kann man diesen Ort wieder bewohnbar machen?" Wir wollten das Wohnhochhaus mit dem Fluss in Verbindung bringen und daraus fine höhere Lebensqualität schöpfen. Dafür haben wir ein elementares Objekt verwendet – die Bank. Um die Verbindung von Innen und Aussen herzustellen, haben wir einen Austausch hergestellt. Aussen ans Ufer haben wir eine Bank mit Materialien aus dem Inneren gebaut, und Innen haben wir eine Bank aus Dingen angefertigt, die nur Aussen zu finden waren.
Foto © Iris Nöbauer
Foto © Iris Nöbauer
Recht auf Wärme (Lehmofen)
Projekt von Hannah Kordes
Je weiter man weg ist von der Stadt, je weniger Infrastruktur man nutzen kann (Internet, Supermarkt, wärmebeständiger Wohnraum) desto abhängiger fühlt man sich. Abhängig von seinen eigenen Fähigkeiten und vom Wissen, wie man sich durchschlagen kann in der rural-urbanen Wildnis. LUNZ, abseits der Stadt birgt einerseits viele Gefahren, andererseits viele Chancen…Das Gebiet braucht ein Herz. Einen eigenen Motor. Einen eigenen Ofen! Gemeinsam wurde im Laufe der Interventionswoche ein Lehm- Schlackeofen gebaut. Die gesamten Baumaterialien stammen zu 100% aus Lunz. Der Ort wird Schritt für Schritt autarker und experimentiert mit temporären und permanent- nachhaltigen Siedlungsformen der Zukunft.
Foto © Hannah Kordes
Zeiträume
Projekt von Maria Dau
Angenommen, es wird gar nichts passieren. Die Wohntürme der Lunzerstraße bleiben erhalten, werden vergessen oder weiter ignoriert. Im 10. Geschoss bleibt ein Fenster offen stehen und die Natur macht was sie immer macht - sie übernimmt die Kontrolle, dort wo die Kultur kein Interesse mehr zeigt.
Foto © Iris Nöbauer
Zeiträume
Projekt von Anna Firak
So fernab vom Geschehen, stehen die Lunzerstrasse-Blöcke am ruhigen Ufer der Traun. Die Zeiträume sind eine Reise durch die Geschichten des Ortes bis heute - dem Scheidepunkt an dem die Zukunft beginnt. Einer dieser Räume reflektiert das Aussenlager III des KZ Mauthausen, das hier 1944/45 stand.
Foto © Costanza Coletti
Foto © Anna Firak
Rubble's bubbles
Projekt von Chloé Montagnac
What happened in this building? What was the everyday life of its residents ? What is the past of Lunzerstrasse ? Through this intervention, I suggest to take a break. Take your time, sit down in the room and observe the forms on the walls. This forms increase the process of destruction. Now, let your imagination run free. The room is bathed in blue light. Rubble's bubbles float like suspended in the air. What do you feel? What's happening in this room? What could be the life in this building fifty years from now?
Foto © Chloé Montagnac